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				 In der letzten Oktoberwoche herrschte auch 
				in Bezug auf den Fußball Gewissheit. Mindestens im November und 
				womöglich noch länger wird man in Deutschland keine 
				Fußballspiele besuchen können. Während im Amateursport komplett 
				der Ball ruht, spielen die Profis unter Ausschluss der 
				Öffentlichkeit für die Pay-TV-Sender und Sponsoren weiter. Die 
				nun auch hierzulande dynamisch in die Höhe schießenden 
				Corona-Fallzahlen machten somit der „neuen Normalität“, die mich 
				im September und Oktober wieder regelmäßig Spiele besuchen ließ, 
				den Garaus. Tommy und ich wollten das letzte Wochenende vor dem 
				Lockdown nutzen und studierten die Spielpläne im Südwesten. Das 
				Fundament sollte die Regionalliga-Begegnung zwischen Bahlingen 
				und Kassel bilden, auf die ein weiteres Spiel am Sonntag folgen 
				sollte. Unsere erste Wahl, die Reserve des SC Freiburg im 
				Möslestadion, spielte ohne Zuschauer. Die Oberliga 
				Baden-Württemberg begab sich freiwillig schon vor dem Wochenende 
				in die Pause und der Notnagel Sonnenhof Großaspach legte uns 
				massive Steine in den Weg. Da unsere letzte, regional halbwegs 
				vertretbare Chance, mit der Partie Nordhausen gegen Rudolstadt 
				aufgrund eines Corona-Falls bei den Gästen kurzfristig abgesagt 
				wurde, wurde das Spiel am Kaiserstuhl trotz aller Mühen das 
				letzte vor der langen Pause. Bei T-Shirt-Wetter im Herbst 
				machten wir auf jeden Fall das Beste draus. 
				Für mich ging es am Samstagmorgen mit der 
				Bahn von Duisburg nach Heidelberg und später mit Tommy am Steuer 
				weiter Richtung Freiburg ins kleine Städtchen Bahlingen. Nachdem 
				wir uns die Auskunft einholten, dass zur Mittagszeit keines der 
				Lokale im Ort geöffnet haben sollte, versorgten wir uns im 
				Supermarkt mit einheimischen Qualitäten und ließen uns an der 
				Alten Dreisam nieder. Die Ruhe in der verschlafenen Gemeinde 
				wurde lediglich durch die ersten Vorboten des bald anstehenden 
				Spiels gegen den KSV Hessen Kassel sanft gestört. Kids in 
				Trainingsanzügen des Bahlinger SC sowie einige Rentner mit Schal 
				„bevölkerten“ nun die schmalen Straßen. Nachdem wir unsere Biere 
				geleert hatten fanden wir uns sehr zeitig im Kaiserstuhlstadion 
				ein. Dieses sollte später ein ausverkauftes Haus melden, sodass 
				sich der vorherige Online-Kauf der Tickets als richtige 
				Entscheidung erwies. Bis auf Kassel-Jesus, der das Spiel 
				größtenteils hinter dem Zaun verfolgte, suchte man weitere 
				Gästefans aus Nordhessen vergeblich. Somit war ich 
				augenscheinlich der einzige Zuschauer, der in der familiären 
				Atmosphäre zwischen den Bahlinger Anhängern genau vier Mal 
				jubelte. 
				Bereits die ersten Minuten der Partie 
				ließen einem kaum Zeit zum Durchatmen. Zum Glück hatten wir die 
				erste Feuerwurst schon vor dem Anpfiff vertilgt, sodass wir die 
				drei frühen Tore ohne Ablenkung bewundern konnten. Vor allem 
				Kassels linke Abwehrseite war zu diesem Zeitpunkt offen wie ein 
				Scheunentor und bildete in Kombination mit dem offenen 
				Angriffsfußball beider Teams eine verhängnisvolle Disharmonie. 
				Die Löwen konnten zwar auch die zweite Führung der Bahlinger 
				flott egalisieren (24.) und gingen trotzdem durch einen weiteren 
				Treffer der Hausherren (38.) mit einem erneuten Rückstand in die 
				Pause. Da die Darbietung beider Mannschaften bisher zumindest 
				offensiv zu begeistern wusste und man sich sehr sicher sein 
				konnte, dass der Schlusspunkt noch nicht gesetzt war, glaubte 
				ich weiterhin an den KSV und zumindest an den erneuten 
				Ausgleich. Stattdessen verpassten wir durch schwaches 
				Bratwurst-Bestell-Timing fast das prompte 2:4 nach dem 
				Wiederanpfiff (52.). Die Kasseler brachten nun Urgestein Basti 
				Schmeer als offensive Unterstützung für Ex-Profi Saglik auf den 
				Platz. Der neue Schwung war augenscheinlich erkennbar und 
				äußerte sich in zwei Kasseler Treffern, die zugleich den 
				verdienten Ausgleich bedeuteten. Was war das für ein Spiel! 
				Sicherlich würden sich beide Duellanten nicht mit einem Punkt 
				zufrieden geben. Leider war es dann die Heimelf, die in der 89. 
				den Schlusspunkt setzte und Glück hatte, als ein Kopfball der 
				Gäste in der Nachspielzeit das Tor nur knapp verfehlte. Zum 
				vermeintlichen Jahresabschluss wurden wir mit neun Toren bedacht 
				und ließen den Abend mit einer ähnlichen Anzahl alkoholischer 
				Kaltgetränke in Heidelberg ausklingen.
				  
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